Reis zum Frühstück? Alle Chinesen sehen gleich aus? Chinesisches Recht? Nach einer Woche Shanghai und einer Woche Peking wissen wir: Nicht nur die chinesische Küche ist äußerst abwechslungsreich, auch die Chinesen sind sehr individuell und Rechtsfragen werden angeregt diskutiert.

Im Rahmen des 5. Gemeinschaftlichen Seminars mit der Fudan University machten wir – eine Gruppe von Professoren, Doktoranden und Studierenden der Rechtswissenschaften – uns am 23. Juli 2011 auf den langen Weg von Konstanz nach Shanghai. Weder der 11-stündige Flug noch die erdrückende Hitze, die uns mittags bei der Ankunft entgegenschlug, konnten uns davon abhalten, bis zum Abend erste Erkundungstouren in die Stadt zu unternehmen und Bestellungen im Stoffmarkt aufzugeben. Am Abend wurden wir von den Chinesen zu dem – für viele von uns – ersten „echten“ chinesischen Essen eingeladen. Bei nicht enden wollenden Speisen, die, eine kunstvoller als die andere, vor uns aufgetischt wurden, merkten wir schnell: Die chinesische Küche ist äußerst abwechslungsreich – und lecker.

Diese Erkenntnis setzte sich gleich am nächsten Morgen fort: Die Chinesen essen nicht nur Reis zum Frühstück; sie kennen auch Kuchen, Küchlein, Kekse und warmen Organgensaft. Der Tag stand uns zur freien Verfügung und so zog es einen Teil der Gruppe in 474 Meter Höhe auf die Aussichtsplattform des Shanghai World Financial Centers, während der andere Teil ebenerdig durch den Yu-Yuan-Garten und die chinesische Altstadt spazierte, den ersten Tempel besichtigte und sich auf der Nanjing Lu, der Einkaufsmeile Shanghais, treiben ließ. Seinen Abschluss fand dieser Tag auf dem Huangpu River, wo wir zusammen mit einigen chinesischen Seminarteilnehmern den Blick auf den Bund und das farbenfroh beleuchtete Pudong genießen konnten.

Am nächsten Tag begann unser dreitägiges Seminar. Zwei Kleinbusse brachten uns von unserem Hotel auf dem alten Campus zum etwas außerhalb gelegenen neuen Jiangwan Campus auf dem sich – in monumentalen Marmorbauten – die juristische Fakultät befindet. Im Seminarraum wurden wir von den chinesischen Teilnehmern schon erwartet und nach einer freundlichen Begrüßung durch Herrn Prof. Ji von chinesischer Seite und einigen einführenden Worten in das Programm des Tages durch Frau Prof. Stadler von deutscher Seite begannen wir abwechselnd, deutsche und chinesische Präsentationen rund um den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das chinesische und deutsche Recht vorzutragen und zu hören. Dabei ging es u.a. um den Schutz Prominenter, das postmortale Persönlichkeitsrecht sowie Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet. Zudem referierte Prof. Glöckner über die Ursachen und Folgen der Bankenkrise. Nach jedem Vortrag bot sich Gelegenheit zu Fragen und Diskussionen und während dabei am ersten Tag noch Zurückhaltung herrschte, erfuhren wir spätestens am zweiten Tag: Rechtsfragen können in China äußerst angeregt diskutiert werden.

Der zweite Seminartag wurde von Herrn Prof. Rengier geleitet und befasste sich mit strafrechtlichen Themen wie etwa dem Missbrauch von Kreditkarten, Bestechung im privaten und geschäftlichen Verkehr, Untreue bei der Zahlung von Schmiergeldern sowie Telefon- und Internetbetrug. Herr Prof. Glöckner führte schließlich durch den dritten und letzten Seminartag, der im Zeichen des Wirtschaftsrechts stand. Vorgetragen wurde u.a. zu Aktionärsrechten und der Haftung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften sowie zum Verbraucherschutz gegen irreführende Behauptungen in der Werbung und bei der Beschaffenheit von Lebensmitteln.
Sowohl auf deutscher als sicherlich auch auf chinesischer Seite wurden in diesen drei Tagen viele neue Erkenntnisse und Einsichten nicht nur in das Recht des jeweils anderen Landes, sondern auch in das eigene Recht gewonnen.

Selbstverständlich bestanden diese drei Tage nicht lediglich aus Vorträgen und Diskussionen zu rechtlichen Themen. Vielmehr hatten wir beim Mensaessen, in den Kaffee- und Teepausen, bei einer Besichtigung des Bibliotheksgebäudes sowie eines eigens für Moot Courts eingerichteten Saals Gelegenheit, mit den chinesischen Teilnehmern ins persönliche Gespräch zu kommen und so über das chinesische Recht hinaus auch viel über „Land und Leute“ zu erfahren. Und so stellten wir schnell fest: Die Chinesen sind sehr individuell – und sehen nach kurzer Zeit auch gar nicht mehr alle gleich aus. Zum Abschluss unseres gemeinsamen Seminars gingen wir am Abend des dritten Seminartages zusammen Essen und im Anschluss begleiteten uns einige chinesische Seminarteilnehmer in die höchste Bar der Welt – der „Cloud 9“ im 87. Stock des Jin Mao Towers.

Essen und Trinken sind zwar wichtig – und gerade in China jedes Mal eine neue Überraschung – aber natürlich nicht alles. So erhielten wir etwa neben dem Seminar bei einem Besuch der CMS-Dependance in Shanghai auch einen Einblick in die Anwaltstätigkeit in einer im Ausland ansässigen Großkanzlei und machten nach den Seminartagen einen gemeinsamen Ausflug nach Suzhou und Tongli. Suzhou ist bekannt für seine wunderschönen Gärten, die wir uns folglich nicht entgehen ließen, während Tongli als Wasserstadt seinen Reiz durch viele Kanäle, Brücken, kleine Gässchen und historische Gebäude gewinnt. Während des Ausflugs lernten wir zudem, dass Karaoke zu den beliebtesten chinesischen Freizeitvergnügen zählt. Um dieses Vergnügen mit unseren chinesischen Freunden teilen zu können, verabredeten wir uns mit ihnen in einer Karaoke-Bar und verbrachten so nochmals einen sehr netten gemeinsamen Abend zusammen. Dieser war nach dem Singen indes noch nicht vorbei. Während ein Teil der Sänger weiter in die Nacht zog, entschloss sich der andere Teil aufgrund eines entzündeten Knöchels zum Besuch eines chinesischen Krankenhauses. Wo zunächst noch ein mulmiges Gefühl und böse Vorahnungen über chinesische Heilanstalten waren, machten sich schon bald nach dem Betreten des Krankenhauses sehr positive Eindrücke breit. In einer großen und äußerst sauberen Eingangshalle waren wir innerhalb von wenigen Sekunden registriert, hatten ein Fieberthermometer ausgehändigt bekommen und einen Arzt an unserer Seite. Nur wenige Minuten später ging es bereits ins Untersuchungszimmer und von dort wie am Fließband von der Blutabnahme weiter zur Infusion. Von Schnelligkeit, Genauigkeit, Reinlichkeit und Effizienz überrascht (dem Knöchel ging es bald viel besser), begann im Krankenhaus unser letzter Tag in Shanghai. Diesen verbrachten wir einzeln oder in Gruppen in der Altstadt, auf Einkaufsstraßen und dem Stoffmarkt, wo unsere Bestellungen zum Abholen bereit lagen.

Am nächsten Tag brachte uns ein Inlandsflug in die Hauptstadt Chinas und so hieß es: Auf Wiedersehen Shanghai und Willkommen in Peking. Hier begann der eigentliche touristische Teil der Reise und so erkundeten wir, meist in kleineren Gruppen, die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Doch auch einige gemeinsame Veranstaltungen standen noch auf dem Wochenprogramm. So besuchten wir am ersten Abend das Lao She Teahouse, wo sich uns bei Tee und Teegebäck eine bunte und abwechslungsreiche Varietéshow bot. Mitte der Woche brachen wir früh am Morgen zur Großen Mauer auf. Dank eines Tipps von Frau Wang aus dem Konstanzer Repräsentanzbüro in Peking mieden wir den wohl touristischsten Punkt bei Badaling und fuhren bis zum Mutianyu-Abschnitt. Dort hatten wir eine wunderschöne fünfstündige Wanderung auf der tatsächlich nicht allzu stark bevölkerten Mauer. Erschöpft kehrten wir abends in die Stadt zurück und belohnten uns mit der ersten Peking-Ente.

Die restliche Zeit war gefüllt mit Besichtigungen der Verbotenen Stadt, Ausflügen zum Himmelstempel und zum Sommerpalast, ausgedehnten Spaziergängen durch die Pekinger Innenstadt, Besuchen im Zoo und im Nationalmuseum, Abenden auf dem Olympiagelände, dem Nachtmarkt – wo Kuriositäten, wie Skorpione, Schlangen und Käfer probiert wurden – und in Restaurants und auf Dachterrassen rund um den Houhai See. Einige, den Überraschungen des chinesischen Essens überdrüssig, entdeckten sogar ein „Café Konstanz“ und gönnten sich zur Abwechslung eine Portion Käsespätzle. Das deutsche Essen holte uns schneller wieder ein als gedacht, denn plötzlich war es Samstagabend und zwei Taxen, die uns zum Flughafen bringen sollten, warteten vor dem Hotel. Ein weiterer langer Flug, eine Fahrt mit der Schwarzwaldbahn – und da waren wir wieder in Konstanz. Alles wie vor zwei Wochen? Nein. Wir sind um mindestens drei Erkenntnisse reicher: Rechtsdiskussionen in China sind sehr anregend, Chinesen sehen nicht alle gleich aus und chinesisches Essen ist äußerst abwechslungsreich.

Carina Haccius