Der neue Schwerpunktbereich 3

Europäisches und Internationales Zivilverfahrensrecht mit Kolloquium (3 SWS)

Die Vertiefungsmöglichkeit im Schwerpunktbereich 3 richtet sich primär an Kandidatinnen und Kandidaten, die sich in ihrem späteren Berufleben eine international ausgerichtete Tätigkeit als Anwältin oder Anwalt, als Notar/in oder in einem Wirtschaftsunternehmen vorstellen können. Auch wenn Sie in einer kleinen oder mittelständigen Kanzlei arbeiten möchten, werden Sie in Ihrer täglichen Arbeit wegen der steigenden wirtschaftlichen Bedeutung des europäischen Binnenmarktes und der hohen Mobilität von Privatpersonen mit immer mehr auch mit grenzüberschreitenden Fallkonstellationen in Berührung kommen.

Fragen der internationalen gerichtlichen Zuständigkeit und der grenzüberschreitenden Vollstreckung von Urteilen tauchen beispielsweise nicht erst im Fall der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung auf, sondern sind wie kollisionsrechtliche Fragen schon bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen und damit in der Beratungspraxis von großer Bedeutung. Der europäische Gesetzgeber schafft für den Europäischen Justizraum und zunehmend auch im Kollisionsrecht eine umfassende eigenständige Rechtsmaterie, die im Grundstudium nur am Rande behandelt werden kann, aber von erheblicher praktischer Bedeutung ist. So ist die internationale Zuständigkeit der Gerichte in Zivil- und Handelssachen in der EU zwar im Überblick auch Gegenstand des Kurses „Internationales Privatrecht“ im Grundstudium, da diese Fragen Gegenstand der Ersten Juristischen Prüfung sind (§ 8 II Nr. 5 Spiegelstrich 1 JaPrO Baden-Württemberg). Eine Vertiefung der Materie ist aber erst im Schwerpunktstudium möglich. Das Schwerpunktstudium behandelt neben der Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO), auch die praktisch wichtigen Fragen der grenzüberschreitenden Zustellung und Beweisaufnahme (EuZustVO, EuBeweisVO) und bietet Gelegenheit, zivilprozessuale Probleme des deutschen Rechts zu wiederholen und zu vertiefen.

Eine weitere Säule des Schwerpunktbereichs 3 ist die Rechtsvergleichung. Der Kurs „Rechtsvergleichung“ gibt einen Überblick über Funktion und Methoden der Rechtsvergleichung, die Einteilung der Rechtsordnungen in Rechtskreise und -familien, deren prägende Merkmale und Rechtsfiguren. Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden an Beispielen aus dem Schuld- und Sachenrecht behandelt, so dass gleichzeitig prägende Rechtsinstitute des deutschen Rechts wiederholt und vertieft werden. Ergänzend werden auch die bisherigen Versuche einer Harmonisierung des Privatrechts in Europa dargestellt und diskutiert. Im Vordergrund steht dabei der von der Europäischen Kommission initiierte sog. Europäischen Referenzrahmen für das Europäische Vertrags- bzw. Zivilrecht (Common Frame of Reference), der zu einem wissenschaftlichen Entwurf für eine Art Europäisches Zivilgesetzbuch führte und Ansätze für eine mögliche Harmonisierung bietet.

Die Absolventen und Absolventinnen des Schwerpunkts sollen in die Lage versetzt werden, sich mit solchen Projekten kritisch und auf der Basis rechtsvergleichender Grundkenntnisse auseinanderzusetzen. Sie sollen durch die Ausbildung im Schwerpunkt auch die praktischen Aspekte des immer internationaler werdenden Privat- und Zivilverfahrensrechts kennenlernen, um eine Grundlage für die ihre künftige berufliche Tätigkeit oder eine Promotion zu gewinnen. Gleichzeitig sollen sie sich aber auch mit dem Richtlinien- und Verordnungsrecht des europäischen Justizraumes kritisch auseinandersetzen und rechtspolitische Ansätze hinterfragen lernen.