Als dieser [Anm.: C.T.E.] Rechtswissenschaft studieren wollte, meinte der Vater abfällig: „Jurist wird man nicht, Juristen hält man sich.“ Daraus erwuchs zusätzlicher Ehrgeiz.
Bernd Rüthers, Rektor a.D.

Prof. Dr. rer. pol. Dr. jur. Carsten Thomas Ebenroth  

Richter am Oberlandesgericht a.D.
Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht, Steuerrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung

*10.12.1943   ✝13.4.2013


Der verstorbene Kollege und Freund Carsten Thomas Ebenroth wurde 1976 mit 33 Jahren an die junge, 1974 gegründete Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Konstanz auf einen zivilrechtlichen, breit gefächerten Lehrstuhl (Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht, Steuerrecht, Internationales Privatrecht, Rechtsvergleichung) berufen. Vorangegangen waren Lehrstuhlvertretungen in Kiel und Gießen. Am Aufbau und Erfolg der einstufigen Juristenausbildung nach dem Konstanzer Modell war er maßgeblich beteiligt.

C.T.E. war ein Kriegskind, geboren in Pleschen bei Posen, in einem von seinem Vater geleiteten Kriegslazarett. 1970 habe ich mit ihm dort seine frühere Kinderfrau besucht. Der erfolgreiche Vater sah in seinem Sohn den medizinischen Nachfolger. Als dieser Rechtswissenschaft studieren wollte, meinte der Vater abfällig: „Jurist wird man nicht, Juristen hält man sich.“ Daraus erwuchs zusätzlicher Ehrgeiz.

Von Beginn an haben C.T.E. die vielfältigen Verknüpfungen von Ökonomie und Jurisprudenz gefesselt, was zunächst zu einem Doppelstudium Betriebswirtschaft/Jura (beide Abschlüsse 1968) und 1969/1971 zur Promotion in beiden Disziplinen (TU und FU Berlin) führte. 1969 lernte ich ihn an der FU als Assistenten von Kollegen Manfred Nitschke kennen, der bald schwer erkrankte. Über mehrere Semester hin übernahm C.T.E. als Assistent dessen volles Vorlesungsprogramm.

Sein Einsatz in Forschung und Lehre der Universität Konstanz war beträchtlich. Davon zeugen seine zahlreichen und über mehrere Disziplinen hinausreichenden Veröffentlichungen. Der Katalog der deutschen Nationalbibliothek weist unter seinem Namen 41 Bücher aus, vor allem solche zum Bürgerlichen Recht, zum Handels- und Gesellschaftsrecht, Wettbewerbs- und Markenschutz, zum internationalen Wirtschaftsrecht, zum Europarecht, zur Verschuldungskrise, zum ‚Code of conduct‘, aber auch zu den Entwicklungstendenzen der juristischen Ausbildung und zur Universität in der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Bei den meisten war er Alleinautor.

Seine Forschungsbeiträge waren, begünstigt durch seine Mehrsprachigkeit und seine internationale Vernetzung, geprägt durch enge Kontakte zur Wirtschaftspraxis in unterschiedlichen Branchen und Regionen, zur Vertriebsorganisation in der Automobilindustrie, zum nationalen und internationalen Bankwesen, zu Problemen der Konzernbildungs- und Konzernleitungs-kontolle sowie zur multilateralen Investitions-Garantie-Agentur (Kommentar zur MIGA-Übereinkommen).

Die literarischen Erfolge stützten sich auf ein hohes Talent als Autor, Wissenschaftsmanager und Kommunikator zwischen Wissenschaft, Politik, Unternehmenswirtschaft sowie nationalen und internationalen Institutionen. Er gehörte zu den Gründern des von der DFG geförderten interdisziplinären Sonderforschungsbereichs 178 „Internationalisierung der Wirtschaft“, aus dem zahlreiche Publikationen, Promotionsarbeiten und Habilitationen hervorgingen. 1989 initiierte er mit der Unterstützung der Landesregierung die Gründung des „Zentrums für internationale Wirtschaft“, das er bis zu seinem Ausscheiden leitete. Besondere Anziehungskraft übte er auf begabte junge Nachwuchskräfte aus anderen Ländern und Kontinenten aus, die bei ihm promovierten und später hohe Funktionen in ihren Heimatländern und in internationalen Institutionen übernahmen.

Seine Erfolge in Lehre, Forschung und bei der Einwerbung von Ressourcen erzeugten gelegentlich auch Neid und Missgunst. Er ertrug das mit Heiterkeit und ohne übersteigertes Harmoniebedürfnis. Er bekam keine Magengeschwüre, reagierte eher mit Ironie.

1980/81 war er Dekan der juristischen Fakultät. Auch für die Belange der Gesamtuniversität hat er sich stets weit über sein Fach hinaus eingesetzt. Maßgeblich beteiligt war er an zwei Ehrenpromotionen, welche die Juristische Fakultät 1980 für den Präsidenten des Bundeskartellamtes Dr. Wolfgang Kartte, und 1995 für den 1933 vertriebenen jüdischen Rechtsanwalt Dr. Ernst Stiefel angeregt hat, der, wie er sagte, in dieser Erfahrung wieder eine Heimat fand.

C.T.E. war nicht nur ein namhafter Wissenschaftler. Er lebte gern und fröhlich, er schätzte die gehobene Küche und den guten Wein, kannte und hielt die edelsten Sorten vorrätig. Er kochte gelegentlich gern selbst für seine Gäste. Auch in renommierten Restaurants konnte es geschehen, daß der Stammgast C.T.E. unvermittelt in der Küche auftauchte, um entweder ein besonderes „Küchentrinkgeld“ zu verteilen oder aktiv Verbesserungsvorschläge anzubringen. Er feierte gern und häufig, liebte die heitere Gesellschaft, lud freigiebig ein, war ein freudiger, ungemein großzügiger Gastgeber, eine Gabe, die er auch strategisch einzusetzen wußte. Er liebte das Reisen und schnelle, technisch perfekt ausgestattete Automobile.

Im Hintergrund gab es noch eine Eigenschaft, die er nicht nach außen kehrte. Er war ungemein hilfsbereit und zuverlässig, wenn er in seinem Umfeld konkrete Sorge oder Not erkannte. Das erfuhren in der Regel nur die Betroffenen, denen er beistand. Mir steht das Schicksal eines Mitarbeiters aus der Universität vor Augen, der plötzlich mitten aus dem aktiven Leben auf den Tod erkrankte. C.T.E. gehörte fortan über Wochen hin zu den regelmäßigen Besuchern am Krankenbett. Er kümmerte sich beim Tod und danach auch noch um die Familie.

Für die Umwelt urplötzlich wurde er selbst 1996 durch eine schwere Erkrankung aus dem aktiven Leben gerissen. Die frühen Zeichen der Gefahr hat er ebenso übergangen wie den ärztlichen Rat, seinen Lebensstil vorsorglich darauf einzustellen. Er lebte mit seiner Krankheit zunehmend in seiner eigenen Welt. Die glanzvolle Feier seines 50. Geburtstages ist allen Teilnehmern noch heute in heller Erinnerung.

Siebzehn Jahre hat er den gesundheitlichen Zusammenbruch unter der hingebenden Pflege seiner Mutter und seiner Frau überlebt. Viele Freunde, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ihn noch lange regelmäßig besucht. Wie er selbst diese Jahre erlebt hat, bleibt sein Geheimnis. Aber alle, die ihn gekannt haben, werden ihn nicht vergessen.

Seine zahl- und erfolgreiche Schülerschaft blieb ihm über die Jahrzehnte hin persönlich verbunden, wie die Dankanzeige von 39 arrivierten Juristinnen und Juristen aus vielen Ländern, darunter elf Professorinnen und Professoren, zeigt.

Bernd Rüthers